Prof. Dr. Heinz Günnewig

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Hooks Ghost

Bei be­kannten Zei­tgenossen, Ge­schmacks­bil­denden der Na­tion, öffent­li­chen Ärgernissen und alltäglich Un­be­achtetem setzte der Jour­nalist und Dra­ma­tiker James Matthew Barrie (1860-1937) um die Jahr­hundert­wende in der St. James Gazette seine super­spitze Fe­der an, zog Blendern und Chimären die Tarnkappe runter und ironisierte scharfzüngig alle und alles in seinen Ko­lumnen – Premier­minister in­begriffen.

Der »barrie touch« war berühmt und gefürchtet. In dem Theaterstück »Peter Pan oder der Junge, der nicht erwachsen werden wollte« hat Barrie der Figur des James Hook seinen satirisch übertreibenden Wesens­zug in eine schaurige Vorstellung injiziert; denn Hook schlägt seinen Wider­sprechern den Haken knapp ober­halb des Ab­nabe­lungshügelchens ein, schlitzt sie auf und schafft die Leichen mit einem Fuß­tritt beiseite.

Mit Hook tritt nicht die brüllende Slapstick-Figur aus dem Disney Kitsch von 1953 auf, von dem nicht wenige Peter Pan Fans imprägniert sind; auch nicht der lockige Dustin Hoffmann – Hook aus Steven Spielbergs Film von 1980. Gemeint ist der originäre, ironische Geistanteil des Alter Egos von James Matthew Barrie. Barries Geist erlaubt sich von Zeit zu Zeit aktuelle Vor­kommnisse und merk­würdige Ent­wicklungen in Schule, Hoch­schule und Bil­dungs­po­litik zu kommen­tie­ren.

Neben dem luziferischen Schlit­zer hatte Barrie mit der ge­heimnis- und hoff­nungs­vollen Fi­gur Peter Pan archa­ische Träume den vic­to­ria­ni­schen Zeit­genossen ins Gehirn fliegen lassen, um dort neben der offen­baren einer zweiten Welt Platz zu schaffen. Da die offenbare Welt von jener der Phantasie am stärksten beeinflusst wird, soll neben Hooks Ghost ein begeisterter Peter Pan aktuelle Zeitgenossen mit und zur Literatur beflügeln.




Hooks Ghost 1

Jenseits von PISA

 »Langweilig« – hatte Bruno vor Tagen zur roten Ulla gesagt, als sie ihm ein Buch mit Bildern zeigte, vor denen er sich fürchtete.
Nun klingelte der stoppelfeldhaarige Bruno und wollte mit seinem Skate­board in Ullas Zimmer ein paar Show-­Runden drehen. Mit hoch­ge­reck­tem Kinn stellte sich ihm die Rot­haarige in den Weg. Das Pflaster am Hals musste er sehen.
 »Schlangen­biss«, sagte sie, »sie kam aus dem Buch«.
Er: »Glaub ich nicht!«
Und dann klappt Ulla eine Welt auf, in die es treppab hineingeht, und beide schwingen, schaukeln, fliegen, rutschen, purzeln, rudern, klettern durch ge­fahren­volle Ver­führungen, an deren Ende Bruno ein Pflaster braucht.

 »Realität wird von Einbildungskraft geformt, Realität ist eine imaginäre Grösse, die ve­rwandelt werden kann, wie Wind­mühlen in Rit­ter und Dorf­schöne in edle Damen«, sagt Javier Marias und fährt fort, »Rea­lis­mus in der Li­te­ratur ist völlig nut­zlos, denn Fiktion ist stärker als jede Realität«.
Und Lennart Helsing, ebenfalls Schriftsteller, sieht in der Literatur für Kinder, dass mit ihr das Kind lernt, Sprache zu meistern, Zeit und Raum wahr­zunehmen und in Be­ziehung zu bringen, so­ziale Orien­tie­rungen aus­zu­pendeln und den wirk­lichen Geist des Lebens zu ak­ti­vieren.
Solche Bot­schaften ver­weisen auf die primären und fundierenden Begeg­nungen mit Li­te­ratur; vor allem sind sie für die sen­sible Zeit gedacht, in der Kinder Bücher lesen in die Dy­namik ihrer Ent­wicklung einfügen könnten.

Dass Leben aus Büchern aufgenommen werden kann, ist in einer Zeit der audio­visuellen Er­drü­ckung, Michael Krüger nennt es »Verblödung, eine Art Über­lebens­kampf. Wich­tig­tuer mit dem kleinen Unter­schied glot­zen schon während des Stu­diums auf die Schirm­chen der vier Giganten der In­format­ions­zube­reitung und -füh­rung und werden in diesem Sprudel­bad der Blasen dusselig gespült.

© Prof. Dr. Heinz Günnewig


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